RECALL NATUR – Fotografie

Sebastian Olschewski

Galerie in der Alten Vogtei ▪ Bielefeld

23.09. – 20.11.2020

RECALL NATUR – die Ausstellung des Künstlers Sebastian Olschewski entführt uns mit ihren fotografischen Bildern in eine natürliche Umwelt. Mit den Mitteln der Fotografie erinnert uns der Künstler daran, was Natur in unserer Welt noch ist, sein kann, sein könnte oder sein sollte. Die Definition von Natur sagt, es sei der Teil der Welt, der nicht von Menschen geschaffen wurde. Dem entgegen steht die Umwelt als vom Menschen erschaffene Kultur. In beide Bereiche eingebettet sind die sogenannten Naturwissenschaften. An der Definition gemessen sind die Bildinhalte des Künstlers Erinnerungen an unberührte Natur Ein Recall In Our Mind. Mit Hilfe des magischen Kastens – der Camera obscura fängt Sebastian Olschewski seine Naturbeobachtungen ein. Natürlich nutzt er die technische Weiterentwicklung es Fotoapparates und arbeitet damit nicht mehr so wie Leonardo Da Vinci im 15. Jh. Mit bewundernswerter Geduld und Langmut wartet er auf den entscheidenden Moment seines Fotoabbildes und betätigt erst dann den Auslöser – ungeachtet der Vergänglichkeit nach Roland Barth. Im Computer führt er minimale Bearbeitungen durch, um eine Botschaft zu vertiefen und zu schärfen.

Schauen wir auf die Bildinhalte der Ausstellung und erinnern wir uns an den Wald in den verschiedenen Jahres- und Tageszeiten mit den atemberaubenden Lichtwirkungen, an seine Bäume mit ihren Pflanzengesellschaften, an die Wasserläufe und den Waldboden und an das Leben der im Wald beheimateten Tiere. Das ist natürlich schon längst nicht mehr der Wald aus der Menschheitsgeschichte der Jäger und Sammler. Wir erleben ihn eher als Erholungsort für Körper und Sinne. Aber es gibt immer noch Menschen, die wie in früheren Zeiten den Wald fürchten und ihn als Feind betrachten, „denn da kommen einem so die Gedanken“ – so die Aussage eines Fabrikarbeiters.

Der feindliche Charakter dieses Teils der Natur von vor sehr langer Zeit scheint doch noch im Bewusstsein zu existieren.

Unser Verhältnis zur Natur hat sich aber im Laufe der westeuropäischen Geschichte sehr gewandelt. Wir begreifen heute Natur eher als Schönheit an der wir mit touristischen Hilfsmitteln teilhaben möchten z. B. mit Billigflügen während der Urlaubszeit. Denn – gemäß dem von vielen falsch verstandenen Schöpfungsauftrag – sieht unsere Gesellschaft sich als unumschränkter Herrscher der Schöpfung und nicht als Bewahrer mit Verantwortung. Ein Recall der Geschichte seit der Französischen Revolution zeigt die zunehmende Befreiung der Bürger von jeglicher Bevormundung und leider auch die Missachtung normativer Regeln der Beschränkung. So beginnt im 18. Jh. die Industrielle Revolution mit der Umgestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse. Die Maxime von 1789, auf die die Europäer so stolz sind – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – erleiden das papierne Schicksal genauso wie die Frauenrechte der Olympe des Gouges.

Dagegen nehmen andere Maxime den Platz ein – wie Besitz durch hemmungslose Ausbeutung der Menschen und der Natur – schlicht die menschliche Selbstherrlichkeit.

Mit dieser verantwortungslosen Eigenschaft wurde die ganze Welt im März 2011 konfrontiert, als in Japan ein großes Seebeben der Stärke 9,0 eine Nuklearkatastrophe auslöste. Die „aufgefaltete“ Inselkette von Japan liegt nämlich auf dem sogenannten „Feuerring“. Dort schieben sich zwei tektonische Erdplatten übereinander, was in 130 km Tiefe ein verheerendes Seebeben auslöste. Ein Tsunami mit 13-15 m hohen Wellen war die Folge. Trotz dieser geologischen Brisanz hatten die Betreiber von Tokyo Electric Power Company (kurz Tepco) in Sendai direkt an der Pazifischen Küsten ein Kernkraftwerk mit 6 Reaktorblöcken gebaut. Es war das älteste staatliche AKW Japans. Die Katastrophe mit einer radioaktiven Explosion bedeutete für Mensch und Natur das 50 000 bis 200 000 fache an Radioaktivität-Ausstoß von Jod und Cäsium. Die Selbstherrlichkeit und Rücksichtslosigkeit des Menschen kennt keine Grenzen, wenn es um Geld geht (Kernkraftwerke sind Gelddruckmaschinen – so ein ausgestiegener Ingenieur vom AKW Biblis).

Nun verrät uns aber die Genesis, dass der Mensch ein Abbild Gottes sei, was bedeutet: Er hat deshalb auch Gott ähnliche Verantwortung.

Wie wollen wir alle – wir die Müllproduzenten, die Kreuzfahrttouristen, die Bekleidungs-Konsumenten ohne Erinnern an die Näherinnen in Indien, die Sonntags-Konsumenten – obwohl der Schöpfer in der Genesis einen Ruhetag vorsieht, die endlos Event- und Spektakelkultur-Konsumenten und nicht zuletzt die Agrarindustriellen – wie wollen wir uns vor dem Schöpfer verantworten!?

Das meint Kurt Gödel ein Philosoph und großer Mathematiker des 20. Jh., wenn wir den anfangs zitierten Satz bedenken. Ja und woran denken Land- und Waldbesitzer (das Zur-Jagd-gehen ist wieder sehr in), wenn sie in der Tageszeitung veröffentlichen, dass im Jagdjahr 2018/19 im Landkreis Osnabrück ca. 3 299 Füchse erlegt wurden (2. Platz in Niedersachsen). Fast gleichzeitig wird von den Landwirten die Mäuseplage beklagt. Ein Fuchs vertilgt pro Jahr ca.4 000 Mäuse und könnte in der Mäuseplage ein verlässlicher Helfer sein. Nein – lieber werden die Füchse im Bau begast, die Mäuse vergiftet und die Pharmaindustrie bekommt erfreulichen Absatz. Die harmlosen Bürger wundern sich, dass der Feldhamster fast ausgestorben ist. Wie können wir solchen und ähnlichen Teufelskreisen entkommen? Der gesellschaftliche Druck und die Versuchung, an naturvernichtenden Vergnügungen teilzunehmen ist groß. Eine Patentlösung gibt es sicher nicht. Aber wenn wir nicht alle umdenken, wird die Befürchtung des Künstlers Realität, dass die Natur eines Tages für immer verloren sein wird – lost beyond recall.

Ich möchte Ihnen zur Verstärkung der Natur-Eindrücke durch die Bilder von Sebastian Olschewski ein Meditationsgebet mit auf den Weg des Christlichen Abendlandes geben. Und ich wünsche mir, das Ihnen das Recall der Ausstellung im Sinne von Dario Fo wie Nägel in Ihrem Gehirn als Vernunfthilfe unvergesslich bleibt:

Mein Gott.
Du unser Gott
möge niemals enden:
der Sand und das Meer
das Rauschen der Wasser und der Wälder
die Blitze des Himmels
die Gebete
der Menschen

Nach Hannah Szenes 1921-1944 ungar. Widerstandskämpferin

Roswitha Pentzek, Melle; 23.09.2020