Mitten im Alltag – Momentaufnahmen aus dem Kloster Nette

Einführung in die fotografische Ausstellung von Sebastian Olschewski

Im Forum am Dom Osnabrück vom 30.01. – 23.02.2020

Momentaufnahmen aus einem Kloster der Öffentlichkeit präsentiert ist eine ungewöhnliche Ausstellung, wenn wir an die Geschichte der Klöster denken. Schließlich bedeutet Kloster vom lat. claustrum der „verschlossene Ort“. Aber davon kann in dieser Ausstellung zum 100-jährigen Gründungsjubiläum des Ordens der Missionsschwestern vom heiligen Namen Mariens nicht die Rede sein. In Osnabrück und Umgebung heißen sie einfach die „Netter Schwestern“ von Gut Nette. „Sie wollen Gott loben, die Menschen lieben und in der Welt leben“, sagen sie. Das bezeugt in vielfältiger, anschaulicher Form diese Ausstellung. Ich habe eine Ordensschwester aus dem Kloster Thuine in den 1970/80iger Jahren in Melle kennengelernt. Sie war als Gemeindeschwester und Religionslehrerin tätig. Sie stand mir in einer sehr schwierigen persönlichen Zeit zur Seite. Im Gegenzug habe ich ihr Bio-Vollkorn-Brot in die Klausur „geschmuggelt“ und wir haben gemeinsam für die italienischen Gastarbeiter-Familien Krippenfiguren restauriert. Von klösterlicher Weltabgewandtheit habe ich nichts bemerkt, sondern im Gegenteil die Begegnung mit einer im realen Leben geerdeten Frauenpersönlichkeit.

Diese meine Erfahrung spiegelt sich auch in den Dokumentationen des Fotografen Sebastian Olschewski. Er zeigt die Schwestern bei der Arbeit für die Klostergemeinschaft aber auch für soziale Zwecke. Überzeugend sind die fotografischen Impressionen der Meditation der Einzelnen und der Spiritualität in der Gruppe. Die Fröhlichkeit im entspannenden Gemeinschaftsleben bei Spaziergängen und Gesellschaftspielen lässt dann auch bei modernen Zeitgenossen den Verdacht aufkommen, dass da irgendwo ein geheimer Kraftquell im Verborgenen existiert. Natürlich sehen wir auch das Fundament der Ordensgemeinschaft in den Panoramabildern an der Stirnseite des Forums: das Mutterhaus in seiner landschaftlichen Umgebung und zwei Innenansichten der Klosterkirche – der weihnachtlich geschmückte Altarraum mit einer Gesamtansicht der Kapelle für die Feier in gottesdienstlicher Gemeinschaft.

Die Ordensgemeinschaft der Missionsschwestern vom heiligen Namen Mariens feiert am 25. März ihr 100-jähriges Jubiläum und das wirft die Frage auf nach der Ordensgeschichte. Wie so oft ist sie eng mit der europäischen Kriegsgeschichte verbunden. Zur Zeit des 1. Weltkriegs bereiteten sich Frauen aus dem französischen Maristen Orden in Lyon auf die Missionsarbeit in Ozeanien vor. Aber sie hatten die deutsche Staatsangehörigkeit und wurden deshalb als Feinde in Gefangenschaft gesetzt. 1915 wurden sie abgeschoben und eine Rückkehr ins Kloster nach Lyon in Frankreich war auch 1918 nach Kriegsende trotz aller Bemühungen des Bischofs von Osnabrück nicht möglich.

So gründete der Bischof von Osnabrück Dr. Wilhelm Berning mit diesen Frauen 1920 eine neue Ordensgemeinschaft, die in Diaspora- und Missionsaufgaben ihre Betätigungsfelder sieht. Schon ein Jahr später legen die ersten sechs Schwestern ihre Gelübde ab. 1932 zählt die Kongregation bereits 15 Niederlassungen. Während der Zeit des Nationalsozialismus wird das Mutterhaus in Meppen von der Gestapo beschlagnahmt. Die Gestapo-Stelle in Osnabrück erlaubt den Schwestern den Aufenthalt auf dem bischöflichen Gut Nette in Haste bei Osnabrück. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs wird entschieden, dass das Mutterhaus in Haste verbleibt und es entsteht das Kloster Nette.

Im Vergleich zu 1600 Jahre Klostergeschichte in Europa sind 100 Jahre sicher auch von Bedeutung aber nur ein „kleiner Schritt“ in der europäischen Kulturgeschichte. Hervorgegangen sind die Klostergemeinschaften aus den Einsiedlerkolonien in Ägypten und Palästina im 4. Jh. Der Prototyp des abendländischen Klosters entstand 529 gegründet von Benedikt von Nursia. Er stellte für das Zusammenleben im Kloster eine Regel auf – die Regula Benedicti , die bis heute die Entwicklung der Klöster geprägt hat. Von Anfang an waren Klöster Orte des geistlichen Lebens, der handwerklichen und landwirtschaftlichen Kultur, der Erforschung und des Sammelns von Wissen in Klosterbibliotheken. Sie waren Zentren der Bildung und intellektuellen Ausbildung. In der Heilkunde und Krankenpflege, der Betreuung von Armen und Pilgern übernahmen sie wichtige soziale Aufgaben. Damals wie heute schließen Ordensleute die soziale Lücke in der Gesellschaft. Die Bedeutung der monastischen Gemeinschaften erkannten natürlich auch die Landesherren und die sich daraus entwickelnden Konflikte führten besonders im Mittelalter immer wieder zu Reformbewegungen des monastischen Lebens.

Die klösterliche Lebensform ist vielen Menschen in heutiger Zeit fremd geworden und wird auch oft als weltfremd bewertet, obwohl eine deutliche Tendenz zu sogenannten Auszeiten in Klöstern zu spüren ist. Mir war das Klosterleben immer vertraut. Meine Mutter hatte Hauswirtschaft in einem Kloster gelernt und ich habe von 1952 bis 56 die Klosterschule der Schwestern Unserer Lieben Frau in Cloppenburg besucht. Alles, was ich dort gelernt habe, waren Impulse für meine spätere Tätigkeit als Künstlerin. Nach meinem Abitur war ich zu Exerzitien im Benediktinerinnen Kloster auf Burg Dinklage und während eines Berufs-„Burn out“ habe ich mich ins Kloster Rheine-Bentlage zurückgezogen. Meine nächste Aus-Zeit werde ich wahrscheinlich im Kloster Nette verbringen ganz im Sinne der schwesterlichen Empfehlung „versteck dich eine Weile – wirf die Sorgen ab, die auf dir lasten“. Und ich hoffe, dass diese Ausstellung ermutigt, neugierig zu werden auf das Ordensleben heute. Vielleicht gelingt es unserer in vieler Hinsicht krankenden Menschengesellschaft dort neue spirituelle Kraft zu finden.

Roswitha Pentzek, Melle, 29.01.2010