MELLER BEWALDUNG – EN MARCHE

Naturfotografien von Sebastian Olschewski

vom 5. bis 29. April 2018 in der Alten Posthalterei in Melle

Im Sommer 2014 klingelte es an unserer Atelier-Tür. Ein junger Mann mit einer schwarzen Mappe stand davor. Er stellte sich vor als Sebastian Olschewski mit der Anmerkung, er sei ein ehemaliger Kunst-Schüler von mir. Er möchte mir einige Fotos zeigen und fragte, ob das etwas „sei“? Es schloss sich ein ausführliches Gespräch an über beide Richtungen der Bewegungsunschärfe – das sich bewegende Objekt und die sich bewegende Kamera. Er verriet mir, dass er inzwischen eine Ausbildung zum Mediengestalter beim WDR in Düsseldorf absolviert habe und im Herbst wolle er sein Studium der Medienwissenschaft in Braunschweig beginnen. (siehe Vita in der Vitrine).
Aus dieser ersten Begegnung entwickelte sich ein intensiver Austausch über Kunst und Fotografie, der heute hoffentlich nicht mit dieser Ausstellung beendet sein wird.

Naturfotografien sind zu sehen – farbig und schwarz/weiß – Dokumentationen aus Melle und Umgebung! Abgebildet sind Nadel- und Laubbäume in allen Jahreszeiten, Wälder mit Lichtungen in geheimnisvollem Licht und märchenhafter Tiefe, Waldpanoramen in morgendlichem Nebel oder winterlichem Schneetreiben, Pflanzen des Waldbodens und im Wald beheimatete Tiere, Gewässer am Waldrand mit Baumspiegelungen und alles was ein Kulturwald zu bieten hat – eben auch die Meller Waldbühne im alten Meller Steinbruch, den der Wald sich zurückerobert hat. Die Ausstellung offenbart umfassende, gründliche, liebevolle aber auch kritisch-beunruhigende Beobachtungen dieses Lebensraumes – Meller Natur – nicht Meller Idylle! So gehört der kritische Blick auf den sogen. Meller Balkon ebenso dazu wie die fotografische Dokumentation der Forstwirtschaft.
Ein Solitär-Highlight ist das Foto „Upmeyers Eiche“. Die Pracht dieser Baumkrone lässt dankbare Gefühle aufkommen für die Menschen, die dem Baum diese lange Lebenszeit ermöglicht haben. Das ist nicht selbstverständlich. Sehr schnell ist man auch bei uns bereit, einen vermeintlich im Weg stehenden Baum zu fällen, denn eine Baumordnung besitzt Melle nicht. Wir alle kennen den Wert der Bäume („Für eine 100 Jahre alte Buche müssten wir ad hoc 5400 junge Buchen pflanzen als Ersatz“ aus Meller Jahrbuch Bd.35; 2017).
Manchmal wird auch bei uns um einen Baumbestand gekämpft (siehe Bruchmühlen).
Aber so konsequent wie die Volksgruppe der Bishnoi in Indien sind wir sicher nicht. Dort ist der Baum heilig und die Menschen leben mit der Natur in Einklang. Das geht soweit, dass sie mit ihrem Leben die Bäume verteidigen, wenn diese für eine Plantage gefällt werden sollen! Sehen Sie diese Ausstellung deshalb als ein Plädoyer, eine Bewaldung in Gang zu setzen und zu halten – in Fahrt zu bringen – auf Französisch en marche.

Schauen Sie auf den zerstörten sogen. „Meller Balkon“. Das Aquarell von Dieter Pentzek aus dem Jahr 1983 zeigt einen idyllischen Blick auf Melle durch die Bäume am alten historischen Postweg. Dagegen dokumentiert Olschewskis Foto von 2018 die Zerstörung – man schaut auf das Flachdach des Bungalows und auf das dahinter liegende Melosgelände. Ein Aufgeben von Natur und Geschichte.
Ein Baum wie Upmeyers Eiche birgt die Geschichte mehrerer menschlicher Generationen. Der Künstler Joseph Beuys hätte seine Freude daran. Und eigentlich zeichnet sich der Mensch ja durch sein geschichtliches Bewusstsein aus. Davon war auch Beuys überzeugt und hat dies in vielen seiner Aktionen zum Ausdruck gebracht. Hier liegt vielleicht der unbewusste Anstoß für Sebastian Olschewski, sich so intensiv und umfangreich diesen Sujets zu widmen. Im 8. Schuljahr der Realschule hat er nämlich ein Referat über Beuys gehalten. Daher wahrscheinlich auch der Titel dieser Ausstellung – in Anlehnung an die Aktion. „7000 Eichen -Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ in Kassel 1982. Stellen Sie sich vor – 7000 mal den Upmeyer-Baum! Genießen Sie wenigstens diese Vorstellung!
Dass Herr Olschewski den Umgang mit der Kamera souverän beherrscht muss ich nicht näher erläutern. Davon zeugen die 52 fotografischen Kunstwerke und natürlich auch seine qualifizierte Ausbildung. Im Sinne des „erweiterten Kunstbegriffs“ von Joseph Beuys sehe ich Sebastian Olschewskis kreative Mitgestaltung der Gesellschaft durch Kunst: Meller Bewaldung – en marche!
Und nochmal Beuys: Kunst gleich Mensch gleich Kreativität gleich Freiheit – eine demokratische kommunale Option – aufgezeigt in der Ausstellung des Künstlers Sebastian Olschewski. Schauen Sie nach oben z. B. unter der Tür am Eingang der Diele!

Roswitha Pentzek Melle, 5.4.2018